André Ringendahl ist lizenzierter Fitnesstrainer und Laufcoach, zudem ist er beim Thaiboxen und im Zirkeltraining aktiv. Seit 2013 lebt er mit der Diagnose Multiple Sklerose. Parallel zu seinem Beruf als Teamleiter studierte er Betriebswirtschaft und Management mit dem Schwerpunkt Digitalisierung. Mit seiner Passion für Sport will er auch andere motivieren und weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig das Überwinden des inneren Schweinhundes manchmal sein kann. Er akzeptiert seine Grenzen und lässt an schlechten Tagen den Sport auch bleiben. Seine eigenen Erfahrungen und die, die er als Fitnesstrainer gesammelt hat, bringt er in unsere Übungsreihe #MSundIchInBewegung ein. In diesem Interview teilt er Einblicke in seine Geschichte als MS-Betroffener und seine Erfahrungen aus dem Leben mit dem Sport.
André, willst du dich kurz mit deinen eigenen Worten vorstellen?
Hallo, ich heiße André, bin 34 Jahre alt und lebe in Nürnberg. Ich bin ein extrem sportbegeisterter Mensch – und ihr könnt mich auch schon mal von Nürnberg bis Fürth oder bis zum Wöhrder See joggen sehen.
Wann und wie hast du deine MS Diagnose erhalten?
2013 merkte ich nach dem Duschen, dass meine rechte Seite taub war. Erst dachte ich mir nichts dabei, aber als das Gefühl anhielt, ging ich nach einer Woche zu meinem Hausarzt. Am Wochenende darauf wurden dann auch
mein Bein und mein Fuß taub. Ich ging vom Hausarzt zum Neurologen, der dann die üblichen Tests durchführte und mir schon den Verdacht auf MS mitteilte. Daraufhin kam ich noch am selben Tag ins Krankenhaus und wurde dort fünf Tage lang behandelt, da ich ja in einem akuten Schub war. Außerdem wurde hier auch eine Lumbalpunktion zur Absicherung der Diagnose gemacht. Vier Wochen nach Auftreten der ersten Symptome erhielt ich die finale Diagnose: MS.
Wie ging es weiter?
Mein Bein war immer noch taub und ich wurde deshalb ambulant behandelt. Das Taubheitsgefühl verschwand allmählich, aber was blieb, waren Empfindungsstörungen in den Fingern der rechten Hand.
Mittlerweile habe ich regelmäßige Termine, um meinen Verlauf zu beobachten – 1-mal im Jahr mache ich eine MRT mit anschließendem Gespräch mit meinem Neurologen und 3-mal im Jahr lasse ich Blut abnehmen. Mit meiner derzeitigen Therapie fahre ich seit 3 Jahren sehr gut und würde daran nur etwas ändern, wenn starke Nebenwirkungen oder eine Verschlechterung auftreten würde.
Wie hat dein Umfeld auf die Diagnose reagiert?
Rückblickend war es für mein Umfeld schwieriger als für mich. Denn meine Familie war in dieser Phase sehr besorgt um mich. Ich erlebte in meinem Freundes- und Bekanntenkreis die unterschiedlichsten Reaktionen auf die MS mit, wie z. B. Verdrängen, Leugnen vieler Fragen, weil sich natürlich die wenigsten mit der Krankheit auskennen.
Welche Faktoren beeinflussen deine Erkrankung?
Dauerhafter Stress, auch Disstress genannt, ist ein maßgeblicher Faktor bei mir. Stress tut mir und der MS nicht gut. Ich habe beobachtet, dass auch die Ernährung bei mir eine wichtige Rolle spielt, also habe ich meine Essgewohnheiten umgestellt – und achte sehr darauf, dass ich mich gesund und bewusst ernähre, mit hoher Qualität. Ich habe sogar ayurvedische Ernährung ausprobiert. Außerdem versuche ich, durch die Sonne möglichst viel Vitamin D aufzunehmen.
Was ist dein Lebensmotto?
Das Leben kann unfassbar schön sein, wenn man weiß, wie man es wirklich genießen kann.
Was hat dich motiviert, eine „Sportkarriere“ einzuschlagen?
Sport war schon immer eine Leidenschaft von mir und ich habe viele verschiedene Sportarten ausprobiert. Ohne Sport geht es bei mir nicht, da fühle ich mich nicht wohl. Ich sehe mich nicht als „Sportstar“, bin aber schon gerne Vorbild für andere, wenn ich sie damit unterstützen kann.
Welche Rolle spielt der Sport für dich und als Trainer?
Sport ist meine Antwort auf die MS: Er ist mein Ausgleich und hilft mir, den Kopf freizubekommen.
Ganz allgemein, aber eben auch von den Gedanken rund um die Erkrankung. Ich mache funktionales Training, Hindernisläufe, Thaiboxen und Ausdauertrainings. Die MS und die Tatsache, dass sich mein Leben schlagartig einschränken kann, sind für mich ein wichtiger Ansporn für die Bewegung.
Wie oft trainierst du persönlich und auf welche Weise?
Das kommt immer darauf an, was gerade ansteht. Vor einem Lauf-Event trainiere ich ab 3 Monate vor Beginn gezielt Ausdauer und Kraft, die ich zum Laufen brauche. Dafür gehe ich dann 3-mal pro Woche laufen, mache 1-mal pro Woche „aktive Erholung“ mit Schwimmen oder Radfahren und 1-mal pro Woche gezielte Mobilitäts- und Kraftübungen für den Körper, speziell für die Beine und den Rumpf. Die Events sind meistens ab Frühjahr
bis Herbst. In den Wintermonaten ändere ich mein Training und steige um auf mehr Krafttraining und Thaiboxen. Die Ausdauer erhalte ich mir dann durch maximal 2 Laufeinheiten pro Woche.
Siehst du dich auch als Motivator für MS-Patienten?
Ich sehe mich eher als „Inspirator“, der versucht, andere zur Bewegung zu motivieren. Mir ist aber auch bewusst, dass ich in der Kombination MS-Patient und Sportler eher eine Ausnahme bin.
Was muss man bei Sport mit MS beachten?
Man muss auf seinen Körper hören. Aber auch mal die Komfortzone verlassen, um Fortschritte zu erzielen. Doch man muss sich ebenso bremsen können, damit man seinem Körper nicht zu viel zumutet.
Was machst du, wenn du keine Motivation für Sport hast?
Also, ich versuche natürlich schon, mich zu motivieren. Aber wenn es mal so gar nicht klappt, dann lass ich es. Dann bestelle ich mir lieber Tortellini bei meinem Lieblingsitaliener ums Eck, setze mich auf die Terrasse oder schalte den Fernseher an.
Wie ist deine Beziehung zu deiner MS?
Ich bin mir der Krankheit stets bewusst und gehe nicht abgeklärt und cool mit ihr um, aber eben auch nicht ängstlich. Ich weiß, dass ich morgen eventuell weniger laufen kann als heute. Ich weiß, dass ich morgen eventuell schlechter sehen kann als heute. Ich verstehe dieses Bewusstsein aber eher als Antrieb und nicht als Einschränkung.
Wann fühlst du dich körperlich eingeschränkt und was machst du dagegen?
Dann, wenn ich Anzeichen einer Fatigue bei mir wahrnehme. Körper und Geist wollen nicht so, wie ich will, und ich kann einfach nicht aus dem Vollen schöpfen. Ich habe aber eine ganz einfache Methode, damit umzugehen: Ich erkenne es an und ärgere mich nicht darüber.
Für was begeisterst du dich außerhalb des Sports?
Ich arbeite gerne mit den Händen und baue dann ein Gartenhäuschen oder eine Gartenmauer. Lecker kochen oder am Grill stehen gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Bier und Wein darf dabei nicht fehlen. Ab und zu gehe ich auch zum Forellenangeln. Meine Oase ist aber Strand und Meer – es gibt nichts, wo ich besser abschalten kann.
Möchtest du anderen Betroffenen vielleicht noch etwas mit auf den Weg geben?
Passt auf euch auf und steht auf – innerlich wie äußerlich. Lebt bewusst(er) und genießt, die Dinge, die gehen. Macht das Beste aus eurer Situation und limitiert euch nicht – das tut die Krankheit schon genug ...