Ganz oft bringen Schicksalsschläge Menschen dazu, Dinge in die Hand zu nehmen von denen sie schon immer geträumt, aber nie den Mut gefunden haben – So auch ich. Nach meiner MS- Diagnose 2016, mit gerade einmal 20 Jahren, bin ich in ein Loch gefallen und habe nur noch schwarzgesehen. Ich habe die junge Leichtigkeit auf einen Schlag verloren und es gab nichts was mir mehr Freude bereiten konnte. Bis auf einmal, von heiterem Himmel, kurz vor meinem Abschluss des Bachelors, ein Gedanke in den Kopf schoss: „Du wolltest schon immer nach Island! Wer weiß, wie lange es dir noch gut geht und du deine Träume verwirklichen kannst?“. Also habe ich, anders als andere Studierende, die bereits rund 1 Jahr vor Abreise sich für ein Studium im Ausland entscheiden, meinen Entschluss 5 Monate vor Abreise gefällt. Gut, dass gerade MS-PatientInnen empfohlen wird Stress zu vermeiden, denn es stand mit der Entscheidung ein Berg an Organisatorischem vor mir, aber mein Traum war größer!
Vor der Reise
Neben vorgesehenen English-Tests, Bewerbungen an die Universität in Reykjavik und der Suche nach einer Unterkunft, habe ich mich zusätzlich mit gesundheitlichen Fragen beschäftigen müssen. Denn es war meine erste Reise ganz allein mit MS. Worauf muss ich jetzt achten? Wie sieht es mit Untersuchungen aus? All diese Fragen habe ich gestellt und wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Damit du dir nicht den Kopf so zerbrechen musst, wie ich es damals tat, habe ich dir meine persönliche Check-Liste zusammengeschrieben. Behalte Sie gerne im Hinterkopf, wenn es dich, wie mich, für eine längere Zeit in die Ferne zieht.
Check-Liste für deine Auslandsreise mit MS:
- Neurologen/Hausarzt über Reiseziel informieren
- Wichtige Untersuchungen noch vor der Reise angehen (MRT’s, Blutuntersuchungen, Reiseimpfungen etc.)
- Auslandskrankenversicherung erfragen/abschließen
- Medikamentenvorrat mit Neurologen besprechen
- Medizinische Versorgung vor Ort herausfinden
- Ggfs. Visa beantragen
Kleiner Tipp: Packe deine Medikamente unbedingt ins Handgepäck, da Koffer auch immer wieder verloren gehen können. Stressfreier wird deine Reise auch, wenn du dir die therapeutische Notwendigkeit deines Medikaments offiziell bescheinigen lässt (deutsch und englisch), sowie das Mitführen von Kühlakkus, sofern du welche brauchst. So bist du beim Security Check-In am Flughafen auf der sicheren Seite.
Meine Zeit mit MS in Reykjavík
Soll ich von meiner Erkrankung erzählen?
Anfang Januar 2018 bin ich dann in Island gelandet – der dunkelste Monat in Island, denn hier scheint die Sonne maximal 3 Stunden am Tag. Die ersten 5 Tage habe ich in einem Hostel verbracht und mich mit der Stadt Reykjavik vertraut gemacht. Ich wusste, dass ich demnächst mit einer Spanierin und einem Schweden eine Wohngemeinschaft bilden werde. Ich war super aufgeregt, als wir uns das erste Mal in der gemeinsamen Wohnung begrüßt hatten.
Sollte ich ihnen direkt von meiner MS erzählen, falls ein Notfall eintritt, oder verschweige ich es und hoffe, dass es nicht auffällt? Bereits nach kurzer Zeit haben wir drei uns so gut verstanden, dass ich wusste, dass meine Krankheit auch bei den beiden gut aufgehoben ist und so habe ich meine MS und ihre Symptomatiken zeitnah mit ihnen geteilt. Ich bin froh, dass ich über meinen Schatten gesprungen bin und mich geöffnet habe, denn dadurch konnten meine MitbewohnerInnen mich viel besser einschätzen und verstehen.
Schaffe ich es wie alle anderen zu studieren und gleichzeitig zu reisen?
Ich wollte immer mit allen anderen mithalten und jede Chance nutzen, das Land, die Menschen und die Kultur kennenzulernen. Aber ich wusste, dass ich, besonders im Studium einen Gang zurückschalten musste. Deshalb habe ich mir im Vorfeld bewusst einige Vorlesungen herausgesucht, die nicht wöchentlich stattfanden, sondern vermehrt einmalig am Wochenende. Dadurch hatte ich genügen Zeit, Aufgaben und Zwischenprüfungen ohne großen Stress zu bewältigen. Solltest du auch ein Auslandssemester mit MS anstreben, kann ich dir diese Strategie wirklich ans Herz legen!
Für mich stand neben dem Studium, das Land aus Feuer und Eis klar im Vordergrund. Seit ich ein kleines Mädchen war, hat mich Island in seinen Bann gezogen. Ich werde nie vergessen, wie die eisigen Gletscher, prachtvollen Wasserfälle, wundervollen Islandpferde, kochende Geysire und atemberaubende Nordlichter mir meine Lebensfreude und Leichtigkeit wiedergebracht haben. Bis heute kann ich nicht fassen, dass ich diese Abenteuer erleben durfte und das ganz allein in die Hand genommen habe. Auch wenn stundenlange Wanderungen dazu führten, dass meine Sensibilitätsstörungen durch meine Beine schossen oder lange Autofahrten mit Kämpfen gegen die Fatigue einhergingen, war diese Entscheidung, die Beste, die ich jemals getroffen habe und vielleicht bin ich der MS für diesen Tritt in den Hintern sogar dankbar.
Ich hoffe, dass meine Erfahrungen dazu beitragen, dass du trotz eines Schicksalsschlages, nicht aufhörst zu träumen! Du glaubst gar nicht, was du alles schaffen kannst.