Vor über 10 Jahren wurde bei mir MS festgestellt. 10 Jahre, in denen ich viel Erfahrung sammeln konnte und gelernt habe, mit der Erkrankung zu leben. Ich habe meine Balance zwischen Stress und Achtsamkeit gefunden – durch Arbeit, Partnerschaft und Weiterentwicklung.
Der Anfang des Neuanfangs
Wie viele MS-Betroffene war ich jung, stand mitten im Leben, war frei von Sorgen und glücklich. Dann kam der erste MS Schub – und platzte mitten in mein Leben.
Vor und nach der Diagnose, die jetzt über 10 Jahren zurückliegt, verbrachte ich wegen der vielen Schübe einige Zeit im Krankenhaus. Es war eine Zeit des Ungewissen und der Sorge – für mich, meine Familie, meine Freunde. Die Krankheit und was sie mit mir macht zu verstehen, ist bis heute ein langer Weg mit Höhen, Tiefen und neuen Erkenntnissen.
Über die ersten Jahre spürte ich ein Ohnmachtsgefühl und versuchte, neben der Behandlung meiner Schübe, die Krankheit zu verdrängen. Das war mein Weg, damit umzugehen, da jeder Gedanke daran schmerzte. Was ich heute weiß: Hätte ich mich zu jener Zeit intensiver mit der Diagnose befasst, hätte ich Fragen früher klären und meine Zukunftsängste reduzieren können.
Es war ein stiller Prozess. Der bewusste Umgang mit mir und meiner Umgebung, in Bezug auf die Diagnose. Wertschätzung gegenüber dem Leben aufzubringen, gewann für mich an neuer Bedeutung, dauerte jedoch Jahre. Bis heute bleibt eine stetige Ungewissheit, ob sich die gesundheitliche Situation verändert. Wenn Du innerhalb von Stunden nichts mehr sehen kannst, kennst Du die Bedeutung des Sehens. Die Schübe kommen unvorhersehbar, ich kann ihre Intensität nicht beeinflussen.
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, auch für vermeintlich unbedeutende Situationen dankbar zu sein und den Alltag wertzuschätzen. Ich kann mir vorstellen, dass es anderen vielleicht ähnlich gegangen ist oder gehen wird. Dass sie hinterfragen: Warum tue ich etwas, was bringt es mir, kann ich selbstlos sein, was macht mich eigentlich glücklich? Durch diesen bewussten Umgang kannst Du Positives aus der Diagnose ziehen.
Die MS ist mein ständiger Begleiter, doch sie bestimmt nicht meine Karriere.
Neben dem Studium hatte ich immer einen Job, kostete aber gleichzeitig auch das Leben in Hamburg aus und kämpfte häufig mit meiner damaligen Therapie. Zu dieser Zeit habe ich mich häufiger übernommen. Dann lernte ich, mir realistische Zielsetzungen vor und während der Klausurenphasen zu setzen und mich zu fokussieren. Die offene Kommunikation mit dem Studienbüro hat mir dabei geholfen, Lösungen zu finden. Die daraus resultierenden Erfolgserlebnisse zeigten mir, dass ich Einfluss auf Dinge nehmen kann, was im Krankheitsverlauf nicht immer möglich ist.
Mein Tipp an Dich lautet daher: besser Pausen einbauen, sich selbst gut organisieren, auch hier achtsam im Umgang mit sich selbst sein – aber auch Herausforderungen angehen und sich selbst challengen. Manchmal führt erst ein zweiter Anlauf zum Ziel.
Dazu gehört auch sich zu überlegen, welches Arbeitsmodell passt am besten zu meinen Stärken und meinem Gesundheitszustand. Ich selbst habe länger in einer Agentur gearbeitet, bis ich mich mit diesem Arbeitsalltag nicht mehr identifizieren konnte. Bei meinem neuen Arbeitgeber fühle ich mich aufgrund eines anderen Settings langfristig gut aufgehoben. Mir hat es sehr geholfen, dabei auch auf mein Bauchgefühl zu hören. Vielleicht findest auch Du so Dein individuell passendes Arbeitsumfeld.
Durch meine Freunde und Familie erfahre ich große Unterstützung. Sie bringen viel Freude in mein Leben – und ich genieße die Momente mit ihnen sehr. Ob Spaziergänge, Telefonate, Festivals oder alltägliche Situationen: Die Zeit mit ihnen ist mir am wichtigsten.
Ich bleibe selbst in der Verantwortung, sie auf meiner Reise mitzunehmen. Weil ich besser einschätzen kann, wann ich Unterstützung benötige und zulassen möchte, ist hier Verständnis und ein proaktiver Austausch elementar. Wenn ich einen Wunsch gegenüber meinen Liebsten verspüre, dann versuche ich, diesen in ruhigen Momenten auszusprechen. Vor allem während eines Schubes empfinde ich die Unterstützung am wichtigsten.
Multiple Sklerose ist häufig herausfordernd, deshalb solltest Du selbstverantwortlich Deine Energie einteilen. Selbstinspiration und Selbstmotivation in Form von Kreativität helfen mir, einen Ausgleich neben dem Beruf zu schaffen. Das Malen mit Acryl und Verarbeiten von Tonerden gleichen mich auf eine besondere Weise aus. In dieser Zeit bin ich frei von Gedanken und meditativ auf mich selbst konzentriert. So halte ich meine Balance. Außerdem ist für mich die MS ein Teil von mir, der mein Leben zwar beeinflusst, es aber nicht definiert. Ein Gedanke, der Dir vielleicht auch weiterhilft.