Tipps zur Pflege der mentalen Gesundheit im Berufsleben – speziell für MS-Erkrankte, die mit Stress, Überlastung und Ängsten im Arbeitsalltag umgehen müssen
Was bedeutet mentale Gesundheit und Resilienz?
MS hat mich gelehrt, wie wichtig mentale Gesundheit und Resilienz im Berufsleben sind – vor allem, wenn die Erkrankung den Alltag auf unvorhersehbare Weise beeinflusst. Die Balance zwischen beruflichen Anforderungen und meiner Gesundheit hat sich für mich als Schlüssel erwiesen, um langfristig erfolgreich und zufrieden zu bleiben. Doch lasst uns die Begriffe „Resilienz” und „mentale Gesundheit” einmal abgrenzen:
Mentale Gesundheit umfasst unser emotionales und psychisches Wohlbefinden – das Gefühl, den Alltag stabil und positiv meistern zu können. Resilienz beschreibt die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen und auch in herausfordernden Situationen handlungsfähig zu bleiben. Für MS-Erkrankte wie mich ist Resilienz der Schlüssel, um den Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden und gleichzeitig auf die eigene Gesundheit zu achten
Mentale Gesundheit im Berufsleben: Wieso ist das Thema vor allem für MS-Betroffene wichtig?
In meinem Beruf muss ich oft Entscheidungen schnell und analytisch treffen, was auch bei gesunden Menschen Stress auslösen kann. Für mich ist es daher besonders wichtig, meine mentale Widerstandsfähigkeit zu stärken und mit den Unsicherheiten der MS flexibel umzugehen. Hierbei helfen mir verschiedene Techniken, die ich über die Jahre erlernt und angepasst habe:
Zeitmanagement: Unsichtbare Symptome – wie Müdigkeit, Konzentrationsprobleme oder Einschränkungen des Sehvermögens - sie sind alle da. Deshalb setze ich stark auf Struktur und klare Arbeitsabläufe, um den Überblick zu behalten. Effizientes Zeitmanagement ist ein Eckpfeiler meines Arbeitsalltags. Ich plane meine Arbeitsaufgaben so, dass ich genug Puffer für Pausen und unvorhergesehene Erschöpfungsphasen habe. Meine Aufgaben organisiere ich in Blöcken, priorisiere die wichtigsten Projekte und arbeite in meinen leistungsstärksten Phasen an komplexeren Themen. Aufgaben, die mehr Energie fordern, setze ich, wenn möglich, auf den Vormittag, während ich mir leichtere Tätigkeiten für später am Tag vorbehalte. Diese Struktur hilft mir, meine Energie effizient zu nutzen und unnötigen Stress zu vermeiden.
Anpassungsfähigkeit: Neben der Planung ist es wichtig, flexibel mit unerwarteten Herausforderungen umzugehen – ein Prinzip, das ich „strategische Anpassungsfähigkeit“ nenne. MS verläuft oft in Schüben, so kann sich von einem Tag auf den anderen die Symptomatik verändern. Deshalb habe ich mir angewöhnt, für kritische Aufgaben immer einen Backup-Plan zu entwickeln. Zum Beispiel arbeite ich regelmäßig mit Checklisten, die mir helfen, schnell wieder den Anschluss zu finden, wenn ich einen arbeitsintensiven Tag oder ein Projekt unterbrechen muss. Diese Checklisten umfassen wichtige Zwischenschritte und machen es leichter, flexibel zu agieren, ohne den Faden zu verlieren.
Pausen einhalten: Manchmal erfordert es Mut und eine gute Selbstorganisation, Pausen auch dann einzuhalten, wenn das Arbeitspensum hoch ist. Doch letztendlich unterstützt eine konsequente Selbstfürsorge nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die langfristige Leistungsfähigkeit. Meine Erfahrung zeigt: Ich arbeite besser und effizienter, wenn ich mir bewusst Pausen nehme, anstatt mich zu überlasten
Achtsamkeitsübungen: Eine kurze Atemübung oder eine fünfminütige Meditation helfen mir, den Kopf freizubekommen.
Sport und Bewegung: Regelmäßige Bewegung, wie Yoga oder Spaziergänge, ist für mich eine wertvolle Energiequelle und stärkt auch mein mentales Wohlbefinden.
Rückzugsorte schaffen: Auch kleine Rückzugsräume im Büro können viel bewirken: ein ruhiger Raum, in den ich mich für einige Minuten zurückziehen kann, oder ein kurzer Spaziergang in der Mittagspause. Vor allem während stressiger Projektphasen habe ich gelernt, auf mich selbst zu hören und bei Bedarf auch „Nein“ zu sagen, um meine Gesundheit nicht zu gefährden.
Sage ich meinem Arbeitgeber, dass ich MS habe?
Nun steht noch die Frage im Raum: Sage ich meinem Arbeitgeber, dass ich MS habe, oder nicht? Es hat nicht lange gedauert, bis ich bereit war, meinen Arbeitgeber über meine Diagnose zu informieren. Diese Entscheidung hat Vor- und Nachteile. Durch meine Offenheit konnte ich eine Umgebung schaffen, in der ich auf meine Bedürfnisse und Einschränkungen Rücksicht nehmen kann, ohne sie ständig erklären zu müssen. Natürlich gibt es auch Risiken: Manche Kolleg*innen oder Vorgesetzte haben möglicherweise Vorurteile oder Bedenken. Hier ist es wichtig, authentisch und sachlich zu bleiben und die eigenen Bedürfnisse klar zu formulieren.
Eine gute Vorbereitung auf ein Gespräch über die MS-Diagnose mit dem Arbeitgeber erfordert Klarheit, Selbstbewusstsein und ein lösungsorientiertes Vorgehen:
- Ziele definieren: Vorab überlegen, welche beruflichen Anpassungen langfristig hilfreich wären und was man konkret erreichen möchte (z.B. Flexibilität, Verständnis).
- Gesprächsrahmen festlegen: Den passenden Zeitpunkt und Rahmen wählen, um ein offenes und ungestörtes Gespräch zu gewährleisten. Etwa in einem geplanten, ruhigen Meeting.
- Kernbotschaften formulieren: Sich klarmachen, wie man die Diagnose sachlich und selbstbewusst kommunizieren kann, ohne den Fokus auf Einschränkungen zu legen, sondern auf die eigene Arbeitsfähigkeit und Lösungsansätze.
- Positiver Fokus: Sich selbst bestärken, dass das Gespräch zur besseren Zusammenarbeit dient und dass das Teilen der Informationen Vertrauen schaffen kann.
Langfristige Planung: Wie kann ich meine Karriere an die MS-Erkrankung anpassen?
Ein weiterer Aspekt, der mir besonders am Herzen liegt, ist die langfristige Karriereplanung. MS bedeutet, dass ich phasenweise vielleicht langsamer arbeite oder bestimmte Aufgaben anpassen muss. Es hilft, sich langfristig mit der Möglichkeit zu befassen, dass Arbeitsweisen oder Arbeitsmodelle geändert werden müssen. Dabei setze ich mir realistische Karriereziele und evaluiere regelmäßig, ob meine Aufgaben noch zu meinen aktuellen Fähigkeiten und Ressourcen passen. Flexibilität und Selbstreflexion helfen mir, die nächsten Schritte immer im Blick zu behalten und – wenn nötig – Anpassungen vorzunehmen, um auch langfristig beruflich aktiv und erfolgreich zu bleiben.