Es gab eine Zeit, da habe ich ständig verglichen: meine Energie, meine Leistungsfähigkeit, meine Lebensplanung mit der anderer Menschen. Ich habe mich gefragt, warum ich nicht mehr schaffe, warum ich an manchen Tagen Pause brauche, während andere gefühlt mühelos durch ihren Alltag marschieren. Und ehrlich gesagt: Diese Vergleiche haben mich unglücklich gemacht.
Heute weiß ich, dass Perfektion nicht mein Ziel sein muss – sondern Zufriedenheit. Nicht die ständige Selbstoptimierung bringt mir Kraft, sondern die bewusste Entscheidung, mein Leben so zu nehmen, wie es ist – und aus dem das Beste zu machen.
Aufhören, mich zu vergleichen
Das Vergleichen war wie ein Dauerlauf gegen unsichtbare Gegner. Besonders in den ersten Jahren nach der MS-Diagnose. Ich habe Kolleg*innen beobachtet, die Überstunden machten, zu jeder Zeit Sport trieben, nicht an die Zukunft dachten – und ich saß da mit meinen Sorgen und fragte mich: warum ich?
Was mir geholfen hat, war ein Perspektivwechsel: Ich begann, mein eigenes Tempo zu akzeptieren. Ich schrieb mir kleine Erfolge auf – Dinge, die ich geschafft hatte, obwohl es schwer war. Manchmal stand da nur: „Heute gut für mich gesorgt.“ Oder: „Einen Spaziergang gemacht, obwohl ich erschöpft war.“ Klingt banal, aber genau darin lag der Schlüssel. Ich hörte auf, mich an fremden Maßstäben zu messen, und fing an, meinen Alltag nach meinen eigenen Werten zu gestalten.
Rituale, die mich stabilisieren
Das Leben mit MS ist manchmal schlecht planbar. Genau deshalb sind kleine Rituale für mich wie Anker im Alltag geworden. Sie geben mir Struktur, selbst wenn alles andere schwankt. Und sie erinnern mich daran, dass ich selbst Einfluss auf meine Stimmung und mein Wohlbefinden nehmen kann.
Auch größere kreative Projekte helfen mir, mich zu zentrieren. Seit ein paar Jahren arbeite ich nebenbei an einem kleinen Keramik-Label. Es wächst langsam, ohne Druck. Und doch ist es ein Ort, an dem ich mich ausdrücken und ausleben kann.
Dazu gönne ich mir bewusst kleine Auszeiten: eine Massage, Wellness oder einfach der Kaffee am Nachmittag – ohne Ablenkung, ganz in Ruhe. Diese Rituale helfen mir, bei mir zu bleiben, selbst wenn der Alltag wankt. Sie erinnern mich daran, dass Selbstfürsorge kein Luxus ist, sondern eine Notwendigkeit.
Selbstfürsorge beginnt mit Selbstmitgefühl
Lange dachte ich, Selbstfürsorge bedeutet: gesund essen, Sport machen, regelmäßig Pausen einbauen. Und ja, all das ist wichtig. Aber Selbstfürsorge beginnt für mich inzwischen viel früher: nämlich im Kopf. In dem Moment, in dem ich aufhöre, mich innerlich abzuwerten, wenn etwas nicht so klappt, wie ich es mir vorgenommen hatte.
An Tagen, an denen ich wenig schaffe, sage ich mir heute: „Du hast trotzdem dein Bestes gegeben und das reicht auch absolut aus.“ Das klingt vielleicht einfach, aber dieser Satz hat meine innere Haltung verändert. Ich muss nicht immer stark sein. Ich darf müde sein, traurig oder erschöpft. Und trotzdem bin ich in Ordnung.
MS hat mich gelehrt, auf mich zu hören. Nicht im Sinne von ständiger Selbstkontrolle, sondern im Sinne von Fürsorge. Was brauche ich heute? Was tut mir gut – und was lasse ich lieber? Diese Fragen stelle ich mir häufiger. Die Antworten kommen manchmal leise, aber sie kommen.
Was wirklich zählt
Ich bin nicht perfekt. Ich werde es nie sein. Aber ich bin lebendig, vielseitig, neugierig – und das reicht. Ich glaube, Glück entsteht nicht, wenn alles glattläuft, sondern wenn wir inmitten unserer Herausforderungen einen Weg finden, uns selbst zu begegnen: mit Freundlichkeit und ohne ständigen Druck.
Es gibt Tage, an denen ich zweifle. An denen ich unzufrieden bin oder hadere. Und auch das gehört dazu. Aber es gibt ebenso diese stillen Momente, in denen ich genau spüre: Ich bin angekommen – in meinem Leben, mit all seinen Ecken und Kanten.