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Ich sitze im Auto und es sind noch ungefähr eineinhalb Stunden bis nach Hause. Bald habe ich es geschafft. Ich trinke einen großen Schluck Wasser, drehe die Musik auf und sehe einen Rasthof immer näherkommen. Pinkelpause? „Nein, ich halte es bis nach Hause aus“, denke ich. Falsch gedacht! Irgendetwas ist anders, mein Harndrang kündigte sich diesmal nicht schleichend an, er ist von 0 auf 100 da! Ich muss aufs Klo – und zwar JETZT! Mist, wieso habe ich nicht am Rasthof gehalten? Kein nächster Rastplatz in Sicht. Ich kann mich kaum noch auf das Fahren konzentrieren und bemerke, wie die ersten Tropfen unkontrolliert in meine Hose gelangen. Verzweifelt versuche ich mit einer Hand den Harndrang im Schritt zu unterdrücken und rutsche auf dem Autositz hin und her. Und dann passiert es … Ich konnte es nicht mehr vollständig zurückhalten und schaue auf meine Hose herunter. Sie ist nass! Mein erster Gedanke? „Das darf nie jemand erfahren!“

MS und Inkontinenz – kein Thema zum Schämen!

Als mich meine Diagnose Multiple Sklerose mitten im Studium als junge Erwachsene getroffen hat, habe ich mir hauptsächlich darüber Gedanken gemacht, wie die sichtbaren Symptome, zum Beispiel Gangschwierigkeiten, Sprachstörungen oder Lähmungen, mich in Zukunft beeinflussen könnten. In keiner Sekunde habe ich daran gedacht, dass gerade meine Harnblase mir in jungen Jahren Probleme bereiten könnte! Wie sollte ich auch? Denn das Thema Inkontinenz ist immer noch ein schambehaftetes Thema, worüber niemand gerne spricht, besonders nicht, wenn man noch jung ist! Umso überraschter war ich, als ich erfahren habe, dass rund 80 Prozent der MS-Betroffenen im Laufe ihrer Erkrankung Probleme mit der Blase bekommen1, aber kaum einer spricht darüber! Aber: Es wird Zeit darüber zu sprechen, denn nichts daran ist peinlich oder etwas wofür du und ich uns schämen müssen!

Das Bild zeigt Louisa

MS und Blasenfunktionsstörungen – keine Frage des Alters!

So individuell wie die Symptome und Phasen der MS sind, so individuell treten auch die verschiedenen Blasenfunktionsstörungen bei Betroffenen auf. Deswegen habe ich mich mal genauer damit befasst. Als häufigste Form der Blasenfunktionsstörung wird laut Mäurer1 (2016) die spastische (neurogene) Blase erwähnt. Charakteristisch zeigt sie sich durch häufiges Wasserlassen und einen „sofortigen“ Harndrang. Meine Probleme mit einer neurogenen Blase habe ich relativ schnell nach meiner Diagnose bemerkt – entweder muss ich gefühlt alle zehn Minuten aufs Klo oder es geht immer mal wieder unkontrolliert etwas in die Hose oder meine Blase entleert sich nicht vollständig.

Kommt dir manches davon bekannt vor?

Damit du einen besseren Überblick darüber bekommst, welche neurogenen Blasenentleerungsstörungen häufig bei MS vorkommen, habe ich dir die geläufigsten Symptome einer neurogenen Blase, anhand der Uniklinik Heidelberg in einfachen Worten, beschrieben2:

  • Blasenlähmung: Eine Nervenstörung kann deine Blase lähmen, indem sie sich nicht mehr zusammenzieht und Urin sich somit nicht komplett entleeren (Restharn) kann.
  • Überaktive Blase: Deine Blase ist überaktiv, was sich durch zu schnelles und häufiges Entleeren äußert.
  • Harnverhalt: Zeigt sich durch eine Unfähigkeit, die gefüllte Blase zu entleeren und Urin staut sich in deiner Blase.
  • Drangsymptomatik: Der Drang, sofort Wasser lassen zu müssen, oder ungewollter Urinverlust zählen häufig zur neurogenen Blase.
  • Weitere Symptome der neurogenen Blase: Anstrengung während des Wasserlassens oder die Unmöglichkeit überhaupt Wasser zu lassen.

Tricks & Tipps für deinen Alltag mit Blasenproblemen

Mein neuer Alltag mit Blasenproblemen: Lange Autofahrten, Shopping-Trips, Städtereisen, Vorlesungen, Meetings und Co. – eigentlich kein Problem, mit meiner neurogenen Blase aber schon. Meine größte Herausforderung? Oft ist es so, dass entweder gar keine Toiletten oder viel zu wenige vorhanden sind. Wenn ich zur Toilette muss, dann muss ich, und zwar JETZT. Zu warten, bis eine Toilette frei wird oder bis ich eine gefunden habe, endet sonst in einem Malheur.

Durchschlafen? Davon kann ich in manchen Phasen nur träumen. In sehr aktiven Zeiten kann es gut sein, dass mein Harndrang mich bis zu dreimal die Nacht weckt und am nächsten Morgen bin ich entsprechend müde. Im ungünstigsten Fall bemerke ich im Schlaf nicht einmal, dass ich Harndrang verspüre und bin morgens auch schon mal mit einem feuchten Bettlaken aufgewacht.

Beim Lesen klingt das für dich vielleicht enorm einschränkend und belastend – und ich würde lügen, wenn ich sage, dass es manchmal nicht auch so ist. Aber mittlerweile habe ich einige Wege für mich gefunden, die mir bei meiner Blasenentleerungsstörung helfen, ich teile sie gerne mit dir:

  • Sprich darüber! Berichte deinem Arzt, deiner Ärztin von deinen Symptomen, damit deine Blasenfunktion untersucht werden kann. Personen in deinem Umfeld, denen du vertraust, solltest du einweihen, sobald du dich bereit fühlst. Denn je mehr Menschen deine Lage kennen, desto besser können sie auf dich eingehen und dich unterstützen.
  • Einlagen/Binden: Klingt vielleicht nicht so sexy, aber im Endeffekt sieht es niemand und sie schützen dich davor, wenn es mal nachtropft. Eine attraktivere und nachhaltiger Alternative ist Periodenunterwäsche. Hier ist die Einlage bereits integriert und du kannst sie mehrfach verwenden.
  • Euro-WC-Schlüssel: Wusstest du, dass du als Person mit MS einen Anspruch auf einen Euro-WC-Schlüssel hast? Mit dem universellen Schlüssel bekommst du Zugang zu allen Toiletten an bundesdeutschen Autobahnen und in vielen deutschen und europäischen Städten. Beantragen kannst du diesen unter www.cbf-darmstadt.de.
  • Beckenbodentraining: Dein Beckenboden ist mitverantwortlich für deine Kontrolle über die Blase. Spannst du deinen Beckenboden an und er ist stark genug, dann kannst du deinen Harndrang besser kontrollieren und zurückhalten. Deshalb empfehle ich dir in den frühen Phasen gerne auch ein Training der Beckenbodenmuskulatur, dies kann dir helfen deinen „sofortigen“ Harndrang zu reduzieren und besser zu kontrollieren.
Das Bild zeigt Louisa

Ein starker Beckenboden unterstützt die Blasenfunktion. Auf dem MS&ich Instagram-Kanal zeigt Louisa fünf Übungen zum Training der Beckenbodenmuskulatur.

Zum Schluss möchte ich dir unbedingt noch eines mitgeben: Wenn‘s mal in die Hose geht, ist es kein Weltuntergang! Nichts an dir oder deiner Blasenstörung ist peinlich. Lass uns mehr über MS und Blasenstörungen sprechen, auch im jungen Alter! Und solltest du dich jemals einsam damit fühlen, dann denke immer daran, dass es auch bei mir immer mal wieder in die Hose geht.