Wer kennt es nicht: Manche Tage sind hektischer als andere. Und dann soll ich auch noch an die Medikation denken? „Oh nein, wieder vergessen!” – so oder so ähnlich habe ich schon ab und an meine Therapietreue vernachlässigt.
Warum aber sollte das nicht passieren?
Zu Beginn meiner Erkrankung war mir nicht bekannt, welche Folgen mangelnde Therapietreue haben kann. Die musste ich dann leider selbst erfahren. Man spürt es nicht sofort, aber: Es können sich schwerwiegende Schäden entwickeln, wenn Medikamente verspätet oder sogar überhaupt nicht eingenommen werden:
- Der Wirkstoff bleibt nicht auf der therapeutisch benötigten Dosis.
- Generell ist die Wirksamkeit des verabreichten Medikaments nicht mehr gewährleistet.
- Insgesamt erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die MS fortschreitet.
Letzteres war bei mir sehr wahrscheinlich der Fall. Es ist jedoch schwierig, die Symptome genau darauf zurückzuführen. Um deinen Krankheitsverlauf dennoch positiv zu beeinflussen, solltest du auf eine langfristige Therapietreue achten.
Was bedeutet Therapietreue (Adhärenz) eigentlich und wie setze ich sie um?
Zunächst besprichst du zusammen mit deiner Ärztin oder deinem Arzt, welche Therapieoptionen zu deiner MS-Form passen.
Damit geht einher: Die MS-Medikamente lassen sich auf verschiedene Arten einnehmen. Die Verabreichung sollte zu deinen Lebensgewohnheiten passen, hier spielen auch Familienplanung und Karriere eine große Rolle. Du musst dich mit der Verabreichung vollkommen wohl und sicher fühlen. Mir macht es beispielsweise nichts aus, mir selbst Injektionen zu verabreichen. Das geht bei meinem Wirkstoff mittlerweile über einen Fertigpen. So ein Fertigpen ist ein Injektionstool – ähnlich der Form eines Kugelschreibers –, das eine voreingestellte Medikamentendosis enthält.
Generell gibt es folgende Arten der Verabreichung:
- Orale Aufnahme als Tablette oder Kapsel
- Subkutane Injektion durch eine Spritze oder einen Fertigpen in das Unterhautfettgewebe
- Intramuskuläre Injektion ebenfalls durch eine Spritze, hier in den Muskel
- Infusion unter ärztlicher Aufsicht in eine Vene
Sobald du dich mit deiner Ärztin oder deinem Arzt auf eine für dich geeignete Therapie geeinigt hast, wirst du über die Anwendung und Einnahmeabstände informiert. Handelt es sich um ein Medikament, das du nicht zu einer bestimmten Tageszeit einzunehmen brauchst, kannst du selbst über den Zeitpunkt der Einnahme entscheiden. Nach meiner Erfahrung wird sich das mit der Zeit ergeben. Rein gefühlsmäßig nehme ich meine bisherigen Medikamente immer vor dem Zubettgehen. Es gibt mir Sicherheit, weil ich das Gefühl habe, meinem Körper in der Nacht die Ruhe zu gönnen, die ihm nach der Verabreichung zusteht. Früher hatte ich häufiger Nebenwirkungen, die mich am Tag stärker eingeschränkt hätten als am Abend oder in der Nacht.
Was passiert bei unvorhersehbaren Umständen?
Reisen, Familie, Unwohlsein und andere Faktoren unterbrechen Routinen. Es ist alles möglich, jedoch (wenn es geht) mit etwas Planung. Kläre, um welchen Zeitraum (Stunden, Tage) die Einnahme verschoben werden darf. Häufig ist es auch möglich, die MS-Präparate mitzunehmen, zum Teil muss aber die Kühlkette eingehalten werden. Wenn ich mein Medikament einmal viel später einnahm, habe ich mich bei meinem Neurologen rückversichert.
Was tun, um die Einnahme nicht zu vergessen?
Mit den Jahren habe ich schon fast alles ausprobiert. Vieles kam mir als Extraaufwand vor, weshalb ich mich dazu entschieden habe, meine Medikamentenverabreichung mit einem wiederkehrenden Ereignis zu verknüpfen. Nun injiziere ich immer am Anfang des Monats, zum Ende des Monats bestelle ich dann wieder Folge-Medikamente.
Weitere Möglichkeiten sind:
- Tagebuch über die Einnahmen führen
- Erinnerungen im Handy einstellen
- Tage im Kalender markieren
- Spezielle MS-Apps nutzen
- Andere Personen einbinden
Dennoch gab es auch Zeiten, in denen ich mich förmlich geweigert habe, Medikamente einzunehmen. Als die nächtlichen Nebenwirkungen zu groß waren, habe ich eine förmliche Angst entwickelt. Auch wenn der Schritt herausfordernd sein kann: Die Lösung kann sein, das Präparat zu wechseln.
Beschaffung der Medikamente als Routine
Mittlerweile gibt es immer mehr Services und Lieferdienste für Medikamente. Zum Glück – weil einem dadurch Zeit erspart wird. Meine Apotheke des Vertrauens holt das Rezept in der neurologischen Praxis ab und liefert mir das Medikament nach Terminabstimmung. So einfach! Es wird also zum Glück immer einfacher, die MS-Therapie ins eigene Leben zu integrieren, ohne das Leben danach ausrichten zu müssen.
Deshalb und – ganz klar – weil mir meine Lebensqualität wichtig ist, hat die Adhärenz bei mir über die Jahre einen immer höheren Stellenwert eingenommen.